Glaubensdinge

Nun soll es last, but not least, um Dinge des Glaubens gehen.

Ich bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen. Meine Eltern gehörten zu einer Freien evangelischen Gemeinde (FeG – einer freikirchlichen Gemeinde) in Fürstenwalde. Nach dem Krieg und der Flucht in den Westen fanden sie jedoch nicht gleich eine solche Gemeinde.

Erst nach dem Umzug nach Breckerfeld, wo mein Vater eine Arbeitsstelle gefunden hatte, fanden sie über den Arbeitgeber eine ähnliche Gemeinde, die Brüdergemeinde in Breckerfeld. Diese hatte jedoch strengere Regeln für das Gemeindeleben als die FeG. Zum Beispiel saßen die Männer auf einer Seite des Gemeindesaales, die Frauen auf der anderen. Das war meinen Eltern zu gesetzlich, zumal sie dafür keine Begründung im neuen Testament finden konnten. Ich war damals noch Kleinkind und kann mich an die darauf folgende Zeit nicht erinnern, also ob und welche Gottesdienste meine Eltern daraufhin besucht haben. Inzwischen waren wir Geschwister zu viert und es wohl darum nicht möglich, mit uns in einen Nachbarort zu fahren, wo es eine ähnliche Gemeinde gegeben hatte. Auch aus diesem Grund haben wir Kinder vermutlich keine religiöse Erziehung genossen, außer dass natürlich auf ein moralisches Leben geachtet wurde (»10 Gebote«).

Nach der Einschulung und dem Besuch der ersten Klassen bewarben sich meine Eltern um eine Stelle in einem kirchlichen Heim. Da wurde jedoch erwartet, dass sie der evangelischen Landeskirche angehörten. Unsere Eltern ließen uns Kinder kirchlich taufen und traten der Kirche bei. Die Stelle haben sie trotzdem nicht bekommen. Nun waren sie also Kirchenmitglieder und schickten uns in den Konfirmationsunterricht. Dort wurde der kleine Katechismus Martin Luthers behandelt und es waren etliche der in der Lutherbibel fettgedruckten Bibelstellen sowie einige Kirchenlieder auswendig zu lernen. Glauben bedeutete für mich damals, ein Leben nach den Regeln der Kirche zu leben. Nach der Konfirmation ging ich weiter zur Kirche, sang im Jugendsingekreis mit und das wars dann.

Erst nach dem Umzug nach Detmold hatten wir wieder die Möglichkeit, eine Freie evangelische Gemeinde zu besuchen. Nach kurzer Zeit (ich hatte inzwischen mit dem Studium als Sozialarbeiter begonnen, lud die Gemeinde Straßenkinder zur Kinderstunde ein, die meine Mutter leitete und in der sie den Kindern anhand von Flanellbildern biblische Geschichten erzählte. Die Anzahl der Kinder stieg schnell auf über hundert jedes Wochenende. Ich konnte damals den Bulli unserer Schule ausleihen, meine Schwester hatte inzwischen ihren Führerschein erworben und so holten wir die Kinder (selbstverständlich mit Einverständnis ihrer Eltern) von zuhause ab und brachten sie nach der Kinderstunde wieder zurück.

Zu dieser Zeit fand in Detmold auch eine Zeltmission statt. Bei unseren Besuchen dieser Vorträge lernten wir die Zeltdiakone kennen und meine älteste Schwester verliebte sich in einen von ihnen. Sie zog nach Gießen und heiratete dort in der FeG in Gießen. Kurz darauf zogen auch meine Eltern mit meinen übrigen Schwestern nach Mittelhessen in eine Werkswohnung des dortigen neuen Arbeitgebers meines Vaters. Meine Eltern besuchten die Gemeinde in Gießen, obwohl sie dazu einige Kilometer mit dem inzwischen angeschafften Kleinwagen fahren mussten (den meine dritte Schwester fuhr, die inzwischen ebenfalls einen Führerschein erworben hatte).

Ich studierte weiterhin in Detmold, hatte aber nun eine engere Beziehung zur Gemeinde und nahm die Glaubensangelegenheiten ernster, was sich auch im Studium auswirkte. Zum Beispiel lehnte ich es ab, an Demonstrationen teilzunehmen, bei denen die eine oder andere Aktion stattfand, die nicht mit dem Gesetz in Einklang stand. Es war die Zeit der »68er«. Kommunen, Großfamilien, studentische Wohngemeinschaften entstanden. Zu diesem Thema schrieb ich auch meine studentische Abschlussarbeit

Nun kam die Einberufung zur Bundeswehr. Ein Dienst an der Waffe kam für mich nicht infrage. Ich hatte zwar schon vor der Einberufung einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen gestellt, wurde aber kurzfristig noch eingezogen. Ich bekam jedoch verständnisvolle Vorgesetzte, die von mir zwar einen ganzen Einsatz verlangten (Märsche mit vollem Gepäck, Trainings mit der Gasmaske etc.), – außer die Hantierung mit der Waffe. Dazu nahm sich der Ausbilder keine eigene Waffe mit, sondern »lieh« sich meine für die Demonstration im Unterricht aus. Das war für mich natürlich eine große Erleichterung. Nach vier Wochen, ich war inzwische vollständig eingekleidet worden (Dienst- und Ausgehuniform), fand das Anerkennungsverfahren statt und ich wurde aus der Bundeswehr entlassen.

Der folgende Ersatzdienst verlief ohne Besonderheiten, was das Glaubensleben betrifft. Auch in der Folgezeit gab es keine Ereignisse zu berichten. Erst nach dem Wechsel in die Beratungsstelle der ev. Lippischen Landeskirche wurde das Thema Glauben wieder relevant, und zwar, als es in der Kirche allgemein kritisch wurde, im Sinne von Kritik an der Bibel. Wie schon in meinem Berufsleben angesprochen, haben mich die offiziellen Verlautbarungen kirchlicher Stellen glaubensmäßig verunsichert. War ich bisher davon ausgegangen, dass die Bibel Gottes Wort sei, wurde nun alles angezweifelt. Jesus war angeblich nicht von einer Jungfrau geboren worden, er habe keine Wunder bewirkt und sei nicht auferstanden, sondern lebe nur im Gedächtnis seiner Jünger weiter. Außerdem sei die Schöpfungsgeschichte nur eine symbolische Geschichte und die Erde in Wirklichkeit durch einen Urknall entstanden und vieles mehr. Damit konnte ich nicht einverstanden sein und bin folglich aus der Kirche ausgetreten – mit den bereits geschilderten beruflichen Folgen.

Der unter Freizeit angesprochene Motorradclub war dadurch entstanden, dass mein Schwager regelmäßig Motorradtreffen besucht hatte und dort den Eindruck hatte, besonders anlässlich von Gedenkveranstaltungen nach tödlichen Unfällen, dass viele Biker unsicher darüber waren, wann es sie selbst treffen könnte und was dann nach dem Tod mit ihnen ist. Deshalb wollte er gerne mit den Bikern ins Gespräch kommen und christliche Literatur, besonders Biker-Bibeln, ausgeben. Die Veranstalter erwarteten dafür jedoch ein Auftreten als Motorradclub. So haben wir uns mit ein paar anderen christlichen Bikern zusammengetan und einen christlichen Motorradclub gegründet. So konnten wir einen Büchertisch aufstellen und im Laufe der Zeit einen Pavillon (Marktstand) mit unserem Logo kaufen und aufstellen. Dies wurde alles von unseren Clubbeiträgen bezahlt. Um es anderen Interessierten leichter zu machen, uns zu unterstützen, bereitete ich eine Satzung vor und wir gründeten einen eingetragenen Verein, dessen Vorsitzender ich wurde. Ich führte den Verein entsprechend den Vorschriften des Finanzamtes und erreichte die Anerkennung als gemeinnütziger Verein, soweit mir bekannt ist, als einziger Motorradclub in Süddeutschland. Wir konnten einige Jahre gute Arbeit leisten, indem wir etliche Gespräche über den Glauben führten (unter dem Motto »… und wenn es Gott doch gibt?« Leider mussten wir die Arbeit aus verschiedenen Gründen (u.a. mein Wegzug nach Norddeutschland, aber auch aus Altersgründen und weil es keinen Nachwuchs gab) später einstellen.

Die auf den oben angesprochenen Austritt aus der Kirche folgende Zeit der Arbeitslosigkeit nutzte ich, um die Bibel einmal ganz von vorne bis ganz nach hinten durchzulesen. Dabei fielen mir einige scheinbare Widersprüche auf. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass es auch unter Theologen darüber eine Diskussion gibt. Es gibt aber eine Lösung zu diesen scheinbaren Widersprüchen.

Meine Eltern waren vor Jahren durch einen Arbeitskollegen (noch in Breckerfeld) auf eine Glaubensrichtung gestoßen, die sehr großen Wert auf eine möglichst stimmige Übersetzung legt. Meine Eltern haben auch eine dementsprechende Bibelübersetzung geschenkt bekommen: Das Konkordante Neue Testament. Es beschreibt sich selbst so:
»Die Heilige Schrift (Neues Testament) in der Weise entworfen, daß der deutsche Leser in engste Verbindung mit Gottes ursprünglichem Wort gebracht wird durch eine folgerichtige, betonte, idiomatische Wiedergabe mit Ausgleich der unvermeidlichen Mängel durch Schwachdruck der Wörter, die nicht im Griechischen sind, Schwerdruck für Betonung, Wort- und Grammatik-Berichtigung durch Zeichen usw., zur Selbstkontrolle ergänzt durch eine Stichwort-Konkordanz des Urtextes, die jedes griechische Wort und seinen deutschen Gleichwert angibt, sowie die Vorkommen der wichtigsten Wörter, mit einem Schlüssel zum Luthertext dazu eine Abhandlung über die biblischen Sprachfiguren und Andeutung der hauptsächlichsten derselben, außerdem die ältesten Lesarten und ausgewählte Parallelstellen«. – Das ist doch mal ein Buchtitel!

Diese Bibelübersetzung hat viele scheinbare Widersprüche aufgelöst und ist mir nach einer gewissen Zeit der Eingewöhnung zum wichtigsten »Werkzeug« beim Studium der Bibel geworden. Dadurch habe ich begriffen, dass man beim Lesen der Bibel darauf achten muss, was Gott wem zu welchem Zweck offenbarte und dass man daher unterscheiden muss, ob der jeweilige Text das Volk Israel oder die gläubigen Nicht-Israeliten oder alle Menschen anspricht. Dann lösen sich auch die vermeintlichen Widersprüche auf (z.B. Paulus-Jakobus).

Auch sonst wird vieles gepredigt, was überhaupt nicht mit der Bibel übereinstimmt, sondern aus der Tradition übernommen wurde. Zum Beispiel hört man immer wieder von der Hölle als endlos andauerndem Aufenthaltsort der Seelen von Verstorbenen. Da wurde griechische Philosophie der Bibel übergestülpt. Wenn man den Bibeltext korrekt übersetzt, gibt es überhaupt keine Seelen von Verstorbenen. Im Tod trennt sich der Geist, den Gott gegeben hat vom Körper, der aus Erdreich (damit sind die Elemente gemeint) gemacht wurde und der daraufhin verwest. Die Seele ist durch diese Trennung verschwunden. Dazu ein Beispiel aus dem täglichen Leben:

Die Lampe (der eigentliche Leuchtkörper) leuchtet nur solange, wie sie vom elektrischen Strom durchflossen wird. In dem Moment, in dem der Stromfluss unterbrochen wird, erlischt das Licht. Wo ist es geblieben? Es ist nicht mehr da, es gibt keinen Ort, wo es geblieben ist.

So ähnlich muss man sich die Sache mit dem Menschen und dem Tod vorstellen. Die Lampe entspricht dem menschlichen Körper, der Strom der Kraft des Geistes Gottes, das Licht der menschlichen Seele. Im Tode kehrt der Geist zu Gott zurück der ihn gegeben hat und der Körper kehrt zur Erde zurück, er verfällt. Die Seele hat aufgehört zu existieren. Die Bibel sagt, sie ist nicht mehr aufzufinden (im Hebräischen ist der Begriff Sheol, was so viel wie fraglich bedeutet und im Griechischen lautet er im Hades, was unwahrnehmbar meint, also in beiden Fällen unauffindbar). Luther hat das mit Hölle bezeichnet. Die Kirche (sowohl die evangelische wie auch die katholische und leider auch die Freikirchen) haben aus dem Unwahrnehmbaren einen Ort gemacht, wo sie die Seelen vermuten. Sie sind aber weg, nicht mehr existent. Mit dem Licht ist es genauso – es ist unwahrnehmbar, unauffindbar, wenn es verloschen ist.

Wer sich tiefer mit diesem Thema befassen will, kann in dieser ausführlicheren Abhandlung mehr finden

Ein anderes Thema, was viel Durcheinander erzeugt hat, das ist die Ewigkeit, die als Endlosigkeit verstanden wird. Aus ungenauer Übersetzung wird dies jedoch falsch verstanden und falsch gepredigt, in der Bibel sind damit Zeiträume gemeint, die einen Anfang und ein Ende haben. Die Ewigkeitslehre hat bedauerlicherweise schon etliche Menschen zur Abkehr von Gott gebracht. Verständlicherweise, denn jeder normal denkende Mensch kann es nicht als gerecht empfinden, wenn Menschen, die während ihres Erdenlebens nicht geglaubt haben (vielleicht, weil ihnen nie die frohe Botschaft richtig verkündet wurde) endlos eine erbarmungslose Strafe erleiden müssen. In der Bibel steht das so aber überhaupt nicht! In ihr heißt es, dass jeder Mensch sterben muss, danach aber ins Gericht muss. Dort wird ihm nach seinem Verhalten, die Bibel nennt das »seine Werke«, gerecht vergolten. Danach kommt der zweite Tod. Von unendlicher Strafe steht in der Bibel nichts.

Es gäbe dazu noch viel mehr zu sagen. Auf die entsprechenden Bibelstellen habe ich nicht hingewiesen, weil dies ja keine theologische Abhandlung sein soll. Es gibt aber einige Literatur zu diesem Thema, wo die entsprechenden Bibelstellen angeführt sind.

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