Hier nun ein Artikel aus »Glaube und Denken heute«
Zeitschrift für Theologie und Gesellschaft, Ausgabe 1/2023
Einige Gedanken über die Prädestination von Benjamin B. Warfield
Ein bedeutender Mann der vergangenen Generation hat zu diesem Thema ein hervorragendes Büchlein (Es handelt sich um das nach wie vor erhältliche Buch von Nathan L. Rice: God Sovereign and Man Free (auch online verfügbar unter: https://www.monergism.com/god-sovereign-and-man-free [Stand: 10.02.2023].) verfasst, und seine Einleitung beginnt mit den Worten: »Wie glücklich wären die Gemeinde Christi und die Welt zu schätzen, würden sich Geistliche und Christenmenschen damit zufriedengeben, Jünger zu sein – Lernende.« Was er damit andeutet: Wenn wir nur bereit wären, einfach zu Füßen der inspirierten Schreiber zu sitzen und sie beim Wort zu nehmen, dann hätten wir kein Problem mit der Prädestination. Die Schwierigkeiten, die uns die Prädestination bereitet, entspringen nicht dem Wort. Das Wort ist durchtränkt von Prädestination, denn es ist durchtränkt von Gott. Wenn wir »Gott« sagen und wirklich »Gott« meinen – Gott mit allem, was Gott ausmacht –, dann haben wir auch »Prädestination« gesagt.
Unsere Schwierigkeiten mit der Prädestination erwachsen aus dem (zweifellos nicht unnatürlichen) Widerwillen, zu akzeptieren, dass jemand völlig über uns verfügt. Wir wollen selbst über uns bestimmen. Wir wollen »uns selbst gehören«. Es widerstrebt uns, jemand anderem zu gehören – insbesondere, jemandem ganz und gar zu gehören –, und das sogar, wenn dieser Jemand Gott ist. Wir haben die gleiche Haltung wie der Sänger des Liedes »I was a wandering sheep« (»Ich war ein verirrtes Schaf«), der erklärt: »I would not be controlled« (»Ich wollte nicht überwacht werden«). Wir wollen nicht, dass jemand Macht über uns hat.
Ich behaupte, es ist zutreffender, zu sagen: Wir wollen nicht wahrhaben, dass jemand Macht über uns hat. Denn wir stehen unter einer Herrschaft, ob wir es nun wahrhaben wollen oder nicht. Die Vorstellung, dass niemand über uns herrscht, ist die Vorstellung, dass es keinen Gott gibt. Wenn wir »Gott« sagen, sagen wir »Herrschaft«. Wäre nur ein einziges, von Gott erschaffenes Geschöpf aus seinem Machtbereich entflohen, dann hätte es in eben diesem Augenblick Gott abgesetzt. Ein Gott, der ein Geschöpf erschaffen kann oder will, das er nicht unter Kontrolle haben kann oder will, ist kein Gott. In dem Moment, in dem er ein solches Geschöpf erschuf, hätte er zweifelsohne auf seinen Thron verzichtet. Das von ihm erschaffene Universum hätte aufgehört, sein Universum zu sein; oder vielmehr hätte es aufgehört zu existieren – denn das Universum wird einzig durch die Macht Gottes zusammengehalten.
Tatsächlich wäre aber noch etwas Schlimmeres geschehen als die Zerstörung des Universums. Gott hätte aufgehört, Gott zu sein, und zwar in einem tieferen Sinne, als dass er aufgehört hat, Herr und Beherrscher der Welt zu sein. Er hätte aufgehört, ein moralisches Wesen zu sein. Es ist eine unmoralische Handlung, etwas herzustellen, das man nicht kontrollieren kann oder will. Wir haben nur dann die Berechtigung, irgendetwas zu machen, wenn wir es unter Kontrolle halten können und wollen. Angenommen, ein Mann stellt im Flur eines Waisenhauses hochexplosiven Sprengstoff her und das Zeug fliegt in die Luft, und angenommen, er würde zu seiner Entschuldigung vorbringen, er habe es nicht unter Kontrolle gehabt, dann würde das niemand als Entschuldigung gelten lassen. Wir würden sagen: »Welches Recht hatte er, so etwas herzustellen, wenn er die Sache nicht im Griff hat?« Er kann sich der Verantwortung für die angerichtete Verwüstung nicht entziehen, indem er sich auf seine Unfähigkeit beruft, sein Machwerk unter Kontrolle zu halten.
Die Annahme, Gott habe ein Universum – oder auch nur ein einziges Wesen – geschaffen und auf die Herrschaft darüber verzichtet, heißt, ihn einer ähnlichen Unmoral anzuklagen. Welches Recht hat er, etwas zu erschaffen, das er nicht kontrollieren kann oder will? Wer Chaos stiftet, handelt unmoralisch. Wir haben Gott nicht nur entthront, wir haben ihn entmoralisiert.
Natürlich gibt es keinen denkenden Menschen, der sich einem solchen Trugbild hingibt. Wir nehmen Zuflucht zu einer vagen Widersprüchlichkeit. Wir stellen uns vor, dass Gott das Universum gerade genug lenkt, um es zu lenken, und dass er es wenig genug lenkt, um es nicht zu lenken. Wir würden vielleicht sagen: »Selbstverständlich lenkt Gott das Universum – im Großen und Ganzen. Aber natürlich lenkt er nicht alles im Universum – nicht jede Einzelheit.«
Wahrscheinlich gelingt es niemandem, sich mit einem so offenkundigen Zickzackkurs zu betrügen. Wenn es sich um Gottes Universum handelt, wenn er es erschaffen hat – und für sich selbst erschaffen hat –, dann ist er für alles verantwortlich, was darin geschieht. Man sollte annehmen, dass er es so schuf, wie er es haben wollte – oder wollen wir behaupten, er habe nicht das Universum machen können, das er eigentlich wollte, und sich daher mit dem bestmöglichen zufriedengeben müssen, das er eben zustande brachte?
Es ist davon auszugehen, dass er das Universum exakt so erschuf, wie er es haben wollte, und zwar nicht nur in statischer, sondern auch in dynamischer Hinsicht, das heißt: mit all seinen Möglichkeiten und Entwicklungen bis ans Ende. Damit ist gesagt: Es ist davon auszugehen, dass er es exakt so erschuf, wie es zu ihm passt, nicht nur in Bezug auf die räumliche Ausdehnung, sondern auch auf die zeitliche. Sollte in dem vorgesehenen Zeitablauf irgendetwas geschehen, das nicht so ist, wie er es wollte – nun, dann müssten wir einräumen (nicht anders, als wenn man in der räumlichen Ausdehnung irgendetwas fände, das nicht so ist, wie er es wollte), dass er nicht das Universum erschaffen konnte, das er gerne gehabt hätte, und sich mit dem bestmöglichen zufriedengeben musste. Und dann ist er nicht Gott. Ein Wesen, das nicht in der Lage ist, ein Universum nach seinen Vorstellungen zu erschaffen, ist nicht Gott. Ein Wesen, das sich darauf einlässt, ein Universum zu erschaffen, das nicht seinen Vorstellungen entspricht, ist ganz bestimmt nicht Gott.
Doch obwohl ein solches Wesen offenkundig nicht Gott sein kann, entlässt ihn dies nicht aus seiner Verantwortung für das Universum, das er tatsächlich erschafft – mit dessen räumlicher und zeitlicher Ausdehnung und mit sämtlichen Einzelheiten. In dem Augenblick, in dem dieser Möchtegern-Gott (nicht mehr wirklich Gott) einwilligte, das tatsächliche Universum so hinzunehmen, wie es sich in Raum und Zeit darstellt, einschließlich all seiner Einzelheiten, ohne jede Ausnahme – da es nun mal das bestmögliche war, das er zustande brachte –, wurde es zu seinem Universum. Er nahm es als das Seine an und machte es mitsamt den Einzelheiten, die er eigentlich anders gewollt hätte, zu seinem Eigentum. Er erklärte diese Einzelheiten nicht nur für zulässig, sondern legte (wie beim Rest des Universums, der ihm besser gefiel) ihre tatsächliche Existenz im Universum fest – in dem Universum, das durch sein Handeln tatsächlich verwirklicht wurde.
Das heißt aber, dass diese Einzelheiten von ihm prädestiniert wurden. Weil er sie prädestiniert hat, existieren sie in diesem erschaffenen Universum. Wir sind also Gott losgeworden. Doch die Prädestination konnten wir nicht abschütteln, obwohl wir sogar bereit waren, unseren Gott zu einem Möchtegern-Gott zu degradieren, um sie zu beseitigen.
Wir sind, ohne es zu merken, vom Gedanken der Herrschaft zum Gedanken der Prädestination übergegangen. Das liegt daran, dass es im Grunde keinen echten Unterschied zwischen den beiden Konzepten gibt. Wenn sich Gottes Herrschaft über alles erstreckt, dann hatte er diese Herrschaft natürlich schon so beabsichtigt, ehe er sie ausübte. Selbstverständlich hatte er es von Anfang an vorgesehen, eben die Herrschaft auszuüben, die er nun ausübt.
Niemand kann sich einen Gott vorstellen, der so gedankenlos ist, dass er (sozusagen) immer nur aus einer augenblicklichen Stimmung heraus handelt, ohne damit irgendeine Absicht zu verfolgen. Vorsehung und Prädestination sind Konzepte, die ineinandergreifen. Vorsehung, die umgesetzt wird, ist nichts anderes als Prädestination. Prädestination, die zielgerichtet ist, ist nichts anderes als Vorsehung. Wenn wir das eine sagen, sagen wir auch das andere, und die gemeinsame Idee, die den Gehalt beider ausmacht, ist Lenkung. Es ist allein dieser Gedanke des Gelenktwerdens, den Menschen ablehnen, wenn sie sagen, dass sie die Prädestination ablehnen – nicht den Gedanken der Vorzeitigkeit, sondern einzig den Gedanken des Gelenktwerdens. Sie würden es ebenso ablehnen, wenn dieses Lenken ohne vorherige Absicht stattfände.
Sie sollten dies noch viel mehr ablehnen. Denn eine Machtausübung, der keine Absicht zugrunde liegt, wäre eine blinde Macht. Sie hätte kein Ziel, das sie legitimieren würde; sie hätte keinen Sinn. Sie wäre durch und durch irrational, unmoralisch, unerträglich. Das ist es, was wir »Schicksal« nennen. Doch wer »Absicht« sagt, sagt »Person«; und wer »Person« sagt, sagt »zielgerichtet«. Nun hat die ausgeübte Herrschaft einen Sinn bekommen; es gibt ein Ziel, auf das sie hinwirkt.
Wenn die Person, welche die Herrschaft ausübt, ein intelligentes Wesen ist, wird das Ziel ein weises Ziel sein. Wenn sie ein moralisches Wesen ist, wird das Ziel gut sein. Ist es jemand, der unendlich weise und heilig, gerecht und gut ist, dann wird es sich um ein unendlich weises und heiliges, gerechtes und gutes Ziel handeln, und es wird durch Mittel erreicht werden, die ebenso weise und heilig, gerecht und gut sind wie das Ziel an sich.
Die Rede von der Prädestination beinhaltet all das. Sie bedeutet, Ordnung in das Universum zu bringen. Sie bedeutet, ihm ein Ziel – und zwar ein würdiges Ziel – zuzuschreiben. Sie befähigt uns, von einem weit entfernten, göttlichen Ereignis zu sprechen, auf das die gesamte Schöpfung zusteuert. Sie befähigt uns zu erkennen, dass alles, was geschieht, ob groß oder klein, seinen Platz in dieser umfassenden Teleologie (Zielgerichtetheit) ausfüllt; und dass ihm so Bedeutung verliehen wurde und dass es Legitimation erhalten hat. Wer »Prädestination« sagt, sagt daher nicht nur »Gott«, sondern auch »Theodizee« (Rechtfertigung Gottes).
Wie auch immer wir uns in Augenblicken der Verwirrung über die Prädestination äußern mögen, wenn wir mit den Problemen des Lebens konfrontiert sind – dem Problem des Trivialen, dem Problem des Leids, dem Problem der Sünde –, man kann mit Sicherheit sagen, dass wir alle in unserem tiefsten Inneren an sie glauben. Wenn wir an Gott glauben, können wir gar nicht anders, als an sie zu glauben; und daran, dass sie in ihrem letztendlichen Ausmaß alles umfasst, was uns widerfährt.
Man denke an irgendeinen Vorgang, der geschieht, er sei groß oder klein – den Fall eines Reiches oder den Fall eines Sperlings (über den der Herr selbst sagt, dass dies niemals »ohne unseren Vater« geschieht). Sicherlich ist es unvorstellbar, dass Gott nichts von diesem Geschehen weiß, mag es auch so unbedeutend sein wie das Fallen einer Nadel.
Gott weiß mit Sicherheit über alles Bescheid, was in seinem Universum geschieht. Es gibt darin keine dunklen Winkel, in die sein allsehendes Auge nicht eindringen könnte; es passiert nichts darin, was vor seinem allgegenwärtigen Blick verborgen bliebe. Doch ebenso wenig ist es denkbar, dass ihn irgendetwas überrascht, das in seinem Universum passiert. Ganz gewiss ging Gott davon aus, dass die Dinge so geschehen werden, und als sie geschahen, bestätigten sie nur seine Erwartung.
Es ist auch undenkbar, dass er den Ereignissen gleichgültig gegenübersteht – als würde er sie zwar kommen sehen, es ihn aber nicht weiter kümmern, ob sie geschehen oder nicht. Unser Gott ist nicht diese Art von Gott. Er ist ein Gott, der sich grenzenlos kümmert, sogar um die kleinsten Kleinigkeiten. Lehrte uns das nicht unser Erlöser, als er von den Sperlingen und von den Haaren auf unserem Kopf sprach?
Ist es dann aber denkbar, dass dieser grenzenlos fürsorgliche Gott den Ereignissen in seinem Universum ohnmächtig gegenübersteht und sie nicht verhindern kann? Sollten wir annehmen, dass er schon von Ewigkeit her Dinge kommen sieht, die nach seinem Willen nicht geschehen sollten, und sie rücken näher und näher, bis sie schließlich da sind – und er sei nicht in der Lage, sie aufzuhalten?
Nun, falls er diese Ereignisse nicht auf andere Weise aufhalten konnte, hätte er immer noch darauf verzichten können, das Universum zu erschaffen; oder er hätte es anders machen können. Es gab nichts, das ihn dazu genötigt hat, dieses Universum zu erschaffen – oder überhaupt irgendein Universum –, abgesehen davon, dass er es zu seinem eigenen Wohlgefallen tat. Und es gibt nichts, das ihn dazu zwingt, in diesem Universum, das er zu seinem eigenen Wohlgefallen schuf, irgendetwas zuzulassen, das nach seinem Willen nicht geschehen soll.
Zweifellos kann in Gottes Universum nichts geschehen, das ihm missfällt. Er steht nicht hilflos daneben, während die Dinge gegen seinen Willen passieren. Was auch immer geschieht, hat er von Ewigkeit her so vorgesehen, und es geschieht nur deshalb, weil dieses Geschehen seinem Willen entspricht.
Vielleicht ist für uns nicht ersichtlich, was sein konkreter Wille ist, dem es entspricht; welchen Platz es in dem allgemeinen Ablauf der Ereignisse einnimmt, die er zu seinem Wohlgefallen stattfinden lässt; welche Funktion es in seinem allumfassenden Plan erfüllt. Doch wir wissen, dass es nicht geschehen würde, würde es keine solche Funktion erfüllen, keinen solchen Platz einnehmen, keine Rolle in Gottes umfassendem Plan spielen.
Und mit diesem Wissen sind wir zufrieden. Es sei denn, wir können Gott in Bezug auf seinen eigenen Plan nicht vertrauen; es sei denn, wir meinen, darauf bestehen zu müssen, dass er ihn uns vorlegt – bis ins letzte Detail – und unsere Genehmigung einholt, ehe er ihn ausführt.
Der religiöse Mensch wird an der umfassenden Prädestination Gottes am allerwenigsten zweifeln. Schließlich macht ihn unter anderem genau das zu einem religiösen Menschen, dass er in allem Gott sieht.
Vor uns befindet sich ein Fenster. Wir richten unseren Blick darauf und sehen das Glas; wir achten auf seine Qualität und registrieren seine Beschädigungen; wir überlegen, welche Zusammensetzung es wohl haben mag. Oder aber wir sehen hindurch, erblicken die großartige Aussicht auf Land, Meer und Himmel, die sich dahinter befindet. So gibt es auch zwei Arten, die Welt zu sehen. Wir können die Welt betrachten und uns in die Wunder der Natur versenken. Das ist die wissenschaftliche Art und Weise. Oder aber wir sehen durch die Welt hindurch und sehen dahinter Gott. Das ist die religiöse Art und Weise.
Die wissenschaftliche Art und Weise ist ebenso wenig falsch wie der Blick, mit dem ein Glashersteller das Fenster betrachtet. Diese Art, die Dinge anzusehen, kann sehr nützlich sein. Dennoch wurde das Fenster nicht dort angebracht, damit man es betrachtet, sondern damit man hindurchsieht. Und die Welt hat ihren Zweck verfehlt, solange wir nicht durch sie hindurchsehen, so dass unser Blick nicht mehr auf ihr, sondern auf ihrem Gott ruht. Genau, auf ihrem Gott. Denn es gehört zum Wesenskern der religiösen Perspektive auf die Dinge, Gott in allem zu sehen, was existiert und geschieht. Das Universum ist sein. Mit jeder Bewegung, die in ihm stattfindet, erzählt es von ihm, weil es nichts anderes als seinen Willen tut.
Wer verstehen will, wie der religiöse Mensch die Beziehung Gottes zu seiner Welt sieht, muss ihn auf seinen Knien beobachten. Denn Beten ist der reinste Ausdruck der Religion, und am Gebet sehen wir, wie die Religion in vollem Umfang zur Geltung kommt.
Hat wohl jemals ein Mensch folgendermaßen gebetet: »Gott, du weißt, dass ich tun und lassen kann, was ich will, und dass du mich nicht daran hindern kannst. Du weißt, dass du meine Mitmenschen ebenfalls nicht unter Kontrolle hast. Du weißt, dass die Natur ihren Lauf nimmt und dass dir nur bleibt, hilflos daneben zu stehen und zu beobachten, worauf das alles hinausläuft«?
Nein, die Haltung der betenden Seele ist die der völligen eigenen Abhängigkeit und des absoluten Vertrauens auf Gottes allumfassende Herrschaft. Wir bitten ihn, in seiner Gnade unseren eigenen Geist zurechtzubringen, das Handeln unserer Mitmenschen zu leiten und den Lauf der ganzen Welt so zu lenken, wie es seinem heiligen und gütigen Willen entspricht. Und es ist richtig, so zu beten. Nur sollten wir darauf achten, dass wir diese Sicht von Gottes Beziehung zu seiner Welt beibehalten, wenn wir von den Knien aufstehen. Wir sollten sie zur Wirkkraft für unser gesamtes Leben machen.
Ganz richtig, ich kenne einen angesehenen Theologen, der darüber nur den Kopf schütteln wird. Gott kann das Tun von freien Menschen nicht steuern, wird er sagen. Daher sei es töricht, ihn darum zu bitten. Wenn wir mit einem ungeschickten Freund Schießübungen machen, kann er uns versehentlich erschießen; und es sei nutzlos, Gott darum zu bitten, er möge uns bewahren – er kann es einfach nicht. Wenn wir gemeinsam mit einem unachtsamen Kollegen an einer gefährlichen Maschine arbeiten, kann er uns jeden Moment umbringen; und es sei nutzlos, Gott darum zu bitten, er möge einen solchen Unfall verhindern – Gott kann das nicht.
Wäre das wahr, dann wären wir zweifellos in einer schrecklichen Lage. Oder vielmehr: Die Welt wäre schon längst im Chaos versunken.
Jeder religiöse Mensch weiß sehr gut, dass dem nicht so ist. Jeder religiöse Mensch weiß, dass Gott alles, was er geschaffen hat – einschließlich aller Handlungen seiner Geschöpfe – lenken kann und will und es auch tut. Deshalb steht es gut um diese Welt, obwohl es nicht danach aussieht.
Es steht gut um diese Welt, die sich in ihrer festgelegten Umlaufbahn gleichmäßig voran bewegt. Und es steht gut um uns, die wir unser Vertrauen auf Gott setzen. Hat er uns nicht selbst mitgeteilt, dass denen, die ihn lieben, alle Dinge – wohlgemerkt, alle Dinge – zum Besten dienen? Und wie könnte das bitte anders geschehen, als dass sie alle in jeder Hinsicht seinem Willen gehorchen?
Dieser Artikel wurde ursprünglich in The Christian Workers Magazine (Dez. 1916, S. 265–267) veröffentlicht.
Benjamin Breckinridge Warfield, auch bekannt als B. B. Warfield (* 5. November 1851 bei Lexington, Kentucky; † 16. Februar 1921 in Princeton, New Jersey), war von 1887 bis 1921 Rektor des Princeton Theological Seminary und einer der einflussreichsten konservativen Theologen seiner Zeit.